Die ehemalige Synagoge von Offenbach

Eine Synagoge ist die „Kirche“ der jüdischen Gemeinde. Richtung Osten stehen die Thora-Rollen. „Thora“ meint die ersten fünf Bücher Mose aus dem Alten Testament, die auf Rollen aus Tierhaut (Pergament) handgeschrieben sind. Neben ihnen steht ein Lesepult sowie ein siebenarmiger Leuchter (Menorah). Auf den Sitzbänken durften in Offenbach nur die Männer am Gottesdienst teilnehmen. Mindestens 10 (mindestens 13 Jahre alt) müssen zusammenkommen, damit ein Gottesdienst stattfinden kann. Frauen dürfen auf der Empore zusehen.

Die Gottesdienste bestehen aus Gebeten, einer Lesung aus der Thora und einer Predigt. Jedes geeignete Gemeindeglied kann einen solchen Gottesdienst leiten. Meistens ist ein Kantor (Sänger) für die Musik und ein Vorbeter beteiligt. Dem Amt des Pfarrers in einer christlichen Kirche entspricht grob der „Rabbi“ in der Synagoge. Die kleine Offenbacher Gemeinde wurde vom Rabbinat Bad Kreuznach mitversorgt, obwohl sie sich ab 1836 bemühte, einen eigenen Rabbi anzustellen.

Neben der Synagoge stand das ehemalige jüdische Schulhaus. Die Synagogalgemeinde betrieb eine eigene Schule, die lange sogar einen eigenen Lehrer beschäftigte. Der Lehrer selbst wohnte im Erdgeschoss. Der Klassensaal lag im ersten Obergeschoss. Zeitzeugen berichteten, dass man durch den Schulsaal auf die Empore der direkt daneben liegenden Schule gehen konnte.

Die Synagoge wurde 1936 an die Ortsgemeinde verkauft, die das Gebäude für die Arbeit der NSDAP nutzte (unter anderen fand dort eine „deutsche Taufe“ statt. Später wurde das Gebäude selbst abgerissen und auf demselben Grundriss das Offenbacher Gemeindehaus errichtet. Dieses wurde verkauft und liebevoll grundlegend renoviert. Es beherrbergt heute die örtliche Apotheke.

  • ungefähres Baujahr der Synagoge mit rituellem Bad in Offenbach 1832
  • ungefähres Baujahr der jüdischen Schule (zwei Jahre vor Bau der Ev. Schule!) 1832
  • letzte Schüler in jüdischer Schule 1906
  • Ende der Gottesdienste in der Synagoge – etwa 1930
  • Verkauf an die Ortsgemeinde durch die jüdische Gemeindeleitung 1936
  • Abriss des Lehrerhauses 1937
  • Nutzung als „Volkshaus“ (im Erdgeschoss einVersammlungsraum; im 1. OG. Geschäftsräume für die NSDAP – 1937 – 1945
  • ein Schreiner verwendet das Gebäude als Lager 1949 – 1953
  • Abriss der Synagoge – Neubau des OffenbacherGemeindehauses an der selben Stelle 1955

 

 

Auszug aus der Schrift von G. Voss, die jüdischen Bürger von Offenbach am Glan, Westricher Heimatblätter, 1993, Seite 202ff

„… und beten und flehen zu dir in diesem Hause“. Die ehemalige Offenbacher Synagoge

Die wenigen Bilder von der Offenbacher Synagoge, die Einwohner der Gemeinde dankenswerterweise zur Verfügung stellten, lassen die Vermutung zu, daß das jüdische Gotteshaus hier nicht etwa der Umbau eines alten Wohnhauses ist oder war, sondern eigens für gottesdienstliche und gemeindliche Zwecke erbaut wurde. Mit Hilfe der recht markanten äußeren Bauformen sowie bei Berücksichtigung der seinerzeit herrschenden politischen Verhältnisse (Franz. Revolution, nachrevolutionäre Zeit von 1789 bis 1815) läßt sich das Baujahr auf 1832 festlegen. Machen wir uns das Bauwerk mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Bilder zunächst etwas vertrauter:

 

 

Das erste Bild — es stammt etwa aus dem Jahre 1932 — zeigt die Synagoge am rechten Bildrand. Im Hintergrund ist das Haus von Adam Knapp zu sehen, das heute auch nicht mehr existiert. Die freundlichen Personen im Vordergrund gehören zur Familie Schreiner.

Aber lenken wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Synagoge. Der Stein unterhalb vom rechten Fenster ist mit einer Ornamentik versehen. Daraus darf geschlossen werden, daß dies das älteste der drei Synagogenbilder ist, die hier zur Verfügung stehen. Übrigens, auch die Rundbögen lassen schwach eine Verzierung etwa als Zackenband erkennen.

ehemalige Synagoge in Offenbach

Das zweite Bild  ist zweifellos von beträchtlichem Wert. Es zeigt die ganze Vorderansicht der Synagoge. Links erkennen wir wieder das Haus Knapp und rechts das jüdische Schulhaus, das möglicherweise kurz vor seinem Abriß steht. Der dazugehörige Schuppen oder Stall ist bereits weitgehend demontiert worden. Es ist bekannt, daß Schule und Stall 1937 abgerissen wurden. Folglich könnte diese Aufnahme im Januar oder Februar 1937 entstanden sein. Man beachte den Restschnee auf dem Dach.

Das dritte Bild zeigt ebenfalls rechts die Synagoge und links das Haus Knapp. Aus dem Synagogenschatten lässt sich schließen, dass die Aufnahme einmal kurz vor der Mittagszeit und außerdem nach 1937 gemacht wurde. Das heißt, die Sonne steht schon verhältnismäßig hoch und der Schattenwert verrät, dass das Schulgebäude nicht mehr steht. Und noch etwas sagt das Bild aus, nämlich, dass man die Synagoge nach dem Abriss des Schulhauses ringsum verputzte. Wahrscheinlich wollte man die unansehnlichen Abrissmerkmal, insbesondere an der rechten Wand, beseitigen und verputzte auch gleich die vordere Wand, schließlich galt die Synagoge eine begrenzte Zeit als „Volkshaus“. Mit dem Putz verschwand natürlich die Ornamentik in den Steinen unterhalb der Fenster.

Die interessante Gruppe mit dem Handwagen könnte der Fotograf auf ihrem Wege zur Mittagspause im Bilde festgehalten haben. Offenbar kommt die Familie aus den Weinbergen, wo man Rebenspritzungen vorgenommen hat. Nun befragt man die Männer vor und im „Volkshaus“ (= Synagoge) nach Neuigkeiten.

Fast überall, wo es eine jüdische Gemeinde gab, entstanden früher auch Synagogen, zuerst wohl in Babylonien, dann in Judäa, im Mittelmeerraum, im Römischen Reich und schließlich auch in deutschen Landen. Da die Kirchenbauten meist dreischiffig waren, durften die Synagogen nur zwei Schiffe oder nur einen Raum aufweisen. Meist wurde der zur Bauzeit herrschende Baustil berücksichtigt. Aber nicht selten legte man auf das Äußere der Synagoge wenig Wert. Es kam den Juden in erster Linie darauf an, dass sie sich im Gebäude ganz in Gebet und Lehre vertiefen konnten. Im 18. Jahrhundert wurde übrigens die Kopfbedeckung beim Betreten der Synagoge zur Pflicht erhoben.

Seit dem 19. Jahrhundert führte man in manchen Synagogen nach dem Vorbild der Kirchen sogar die Orgelmusik ein, in anderen die Instrumentalmusik. Ein Gottesdienst konnte in der Synagoge eigentlich nur dann stattfinden, wenn wenigstens zehn Juden (ab 13 Jahren) anwesend waren. In Notzeiten durften es auch weniger sein. Synagogengottesdienste finden in der Regel nur am Sabbat und an den jüdischen Fest- und Feiertagen statt. Ein Rabbiner ist zur Abhaltung des Gottesdienstes nicht unbedingt erforderlich. Das Amt des Leiters kann jeder geeignete Jude übernehmen. In den vielen kleinen Gemeinden übertrug man diese Aufgabe einem Vorbeter oder Kantor. Der Gottesdienst besteht aus Gebeten (morgens, mittags, nachmittags und abends), dem Vorlesen eines Thora-Abschnittes (kann jedem Gläubigen übertragen werden) und der Predigt des Rabbiners oder eines anderen Gläubigen. Der Rabbiner ist zwar der geistige Führer einer Gemeinde, nicht aber einem Pfarrer der christlichen Kirche vergleichbar. Er ist ein Thoragelehrter und deshalb zumeist als Lehrer tätig. Außerdem übt er in religiösen Fragen und bei Streitigkeiten das Richteramt aus.

Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Offenbach war ganz sicher ein Gebäude, das man aus architektonischer Sicht heute, stünde es noch, als wertvolles und erhaltungswürdiges Bauwerk einstufen würde. Seine Vorderansicht insgesamt bringt nämlich recht deutlich den Baustil des Klassizismus (etwa 1760 bis 1840) zum Ausdruck und zeigt die schlichte und klare Form einer Tempelfront. Der Bauherr beziehungsweise der Baumeister griff offensichtlich bei der Auswahl der Bauformen auf die antiken
Vorbilder von der Romanik bis zum Barock zurück. Schließlich wurde hier eine Synagoge, wenn auch eine bescheidene, erbaut, ein Haus also, in dem man nach den Gesetzen der ältesten monotheistischen Religion der Welt Gott loben und preisen und anbeten wollte. Also, hier sollte ein Bauwerk entstehen, das zeitlich und räumlich sowohl dem Heiligen Land als auch dem Jahwe-Glauben nahe war.

Zeichen des Klassizismus sind die auffallenden und betont wirkenden Gesimse, die Rundbögen über dem Portal und den Fenstern, deren strahlenförmig angeordneten Fensterstreben, die Ornamentik direkt über dem Portal sowie unterhalb der Fensterbänke und an den Rundbögen, die kleinen runden Maßwerkfenster oberhalb der Rundbögen und schließlich auch das Giebel- oder Tempeldreieck. Die kleinen Maßwerkfenster lassen sogar einen kuppelüberdeckten Innenraum vermuten. Wer durch das Portal eintrat, bemerkte rechts und links, durch einen Mittelgang getrennt, die Sitzbänke für die Gläubigen. Dem Eingang gegenüber fiel ein blauer Samtvorhang auf, der sich hinter einer Balustrade befand und den Thoraschrein an der rückwärtigen oder Ostwand der Synagoge verdeckte. Daß der Thoraschrein sich an der Ostwand befand, war kein Zufall. Es handelt sich um die Wand, die Jerusalem am nächsten stand. Außerdem blickten die Gottesdienstteilnehmer infolge dieser Anordnung des Thoraschreins immer in Richtung der Heiligen Stadt. Links und rechts vom Vorhang stand je eine Menora, also je ein siebenarmiger Leuchter. Innerhalb der Balustrade, zu der in der Mitte zwei oder drei Stufen emporführten, befand sich auch das Vorlesepult. Auf ihm wurden während des Gottesdienstes die Thorarollen ausgebreitet, aus denen jeweils ein vorher bestimmter Gläubiger einen Abschnitt vorlesen durfte, was als eine besondere Auszeichnung galt. Von der Decke der Synagoge hing ein großer Leuchter herab. In der Ostwand gab es noch je ein größeres Fenster rechts und links von den beiden Leuchtern. Da sich hinter der Ostwand Gärten und keine öffentlichen Straßen befanden, fehlten über den Fenstern die Rundbögen.

Übrigens gab es auf der Höhe der Rundbögen und der kleinen kreisförmigen Maßwerkfenster eine Empore. Sie war vom Schulhaus aus zugänglich und führte an der Süd-, West- und Nordwand entlang, Die Synagoge Offenbach (rechts) ließ also die Ostwand frei, sodass die Gläubigen, die sich evtl. oben befanden, die Vorgänge innerhalb der Balustrade beobachten konnten.

Nach einem alten Lageplan war die Synagoge in Offenbach etwa 8,75 m lang und 8,45 m breit. Es stand also ein Innenraum von knapp 70 qm Fläche zur Verfügung. Die lichte Höhe des Innenraumes könnte über 4,50 m betragen haben.

Leider kann man heute nur noch bedauern, daß der tatsächliche Wert dieses kleinen Bauwerkes verkannt wurde, sich zum Beispiel kein Konservator darum kümmerte und es dem Abriss anheim fiel.

Erhalten hat sich die Satzung der Synagogen-Gemeinde Offenbach am Glan von 1869.

 

Schon am 6. Dezember 1936 befasste sich der Gemeinderat Offenbach unter Bürgermeister Müller in einer Diskussion mit dem Kauf der Synagoge. Die wenigen damals noch in Offenbach lebenden Juden hatten offensichtlich den Verkauf des Gebäudes an die Gemeinde angeboten. So durften sie sich wenigstens ein paar Mark erhoffen, die sie für Ausreisezwecke dringend gebrauchen konnten. Ihre Zukunft sah schon damals sehr dunkel aus. Leichtgefallen ist ihnen der Verkaufsentschluß ganz sicher nicht. Dennoch standen Heinrich Rothschild, Alfred Roos, Leo Roos und Hugo Heymann zu ihrem Vorhaben, zumal der Straßenneubau hinter der Synagoge und der jüdischen Schule sowie dem Stallgebäude bedrohlich näherrückte. Am 7. Dezember 1936 trat der Gemeinderat erneut zusammen. Anlässlich dieser Sitzung wurde einstimmig beschlossen, die Grundstücke Nr. 26 und 736/27 in Flur 8 nebst den darauf errichteten Gebäuden käuflich zu erwerben unter folgenden Bedingungen:
1. Der Kaufpreis ist mit RM 1.000 bis Ende des Monats Dezember 1936 fällig.
2. Der Rest mit RM 3.000 ist bis 1. Februar 1937 fällig.

Die ehemalige Synagoge wurde als „Haus der Volksgemeinschaft“ weiter benutzt. In diesem Volkshaus fanden Veranstaltungen der Ortsgemeinde und der NSDAP statt, die in ihm ein Büro unterhielt. Ein Beispiel für eine solche Feier ist die erste“deutsche Taufe“ in der Geschichte von Offenbach am Glan, die im August 1937 stattfand.

In den nächsten Jahren geschah dann aber in Sachen Synagoge so gut wie nichts, wenn man einmal davon absieht, dass das Gebäude verputzt, auf der Höhe der Empore eine Decke eingezogen und dort oben eine kleine Wohnung eingerichtet wurde, die man einer Flüchtlingsfamilie zur Verfügung stellte. Es mangelte damals an nichts so sehr wie an Wohnungen.

Krieg und Nachkriegszeit stoppten mehr oder minder alle Vorhaben der Gemeinde. Ursprünglich hatte man ja vor, auf dem Marktplatzgelände eine sogenannte Markthalle zu errichten. Ob man schon vor dem Kriege die Synagoge in die Überlegungen bezüglich des Bauplatzes einbezogen hat, steht nicht fest. Aber Überlegungen dieser Art könnte es nach dem Verkauf schon gegeben haben. Es war jedenfalls beabsichtigt, im Anschluss an die bisherige Viehmarkttradition der Gemeinde viermal im Jahr eine Nutz-und Zuchtviehversteigerung stattfinden zu lassen sowie eine Schlachtviehverteilungsstelle einzurichten, die dreimal im Monat tätig werden sollte. Allen diesen Zwecken sollte die Markthalle dienen.

Aber die Entwicklung ging ganz andere Wege. Erst einmal pausierte der Gemeinderat fast sechs Jahre und nahm seine Tätigkeit erst wieder am 21. Oktober 1946 auf. In der Gemeinde gab es nun viel zu regeln und keine hinreichenden Mittel.

Und am 1. Mai 1949 lag dann unversehens der Tagesordnungspunkt „Rückgabe des jüdischen Vermögens“ auf dem Gemeinderatstisch. Bürgermeister Schlemmer setzte die Räte davon in Kenntnis, dass ein Rechtsanwalt R. im Auftrage der Jüdischen Kultusgemeinde Bad Kreuznach u. a. laut Antrag vom 21. April 1949 die Rückgabe der Synagoge gefordert habe. Die Gemeindevertretung jedoch lehnte das Ansinnen ab, da der damalige Kaufvertrag nicht unter dem Einfluß eines physischen oder moralischen Zwanges zustande kam. Die jüdischen Gemeindemitglieder haben von sich aus freiwillig die Synagoge zum Kauf angeboten:“ Für den Fall einer Klage bestimmte der Rat den Rechtsanwalt und Notar H. mit der Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde.

1950 fand dann ein erster Gerichtstermin vor dem Landgericht Bad Kreuznach statt, ohne dass eine Einigung erzielt wurde. Auch eine weitere Verhandlung im Jahre 1953 brachte noch keine Entscheidung. Die Angelegenheit sei auf den 18. Dezember 1953 vertagt worden, berichtete Bürgermeister Horbach. Man sei sich aber insoweit näher gekommen, als die Gemeinde die Synagoge möglicherweise gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung behalten könne. Später setzte das Gericht eine Nachzahlung zum Kaufpreis (4.000 RM) in Höhe von 1.250 DM fest.

Inzwischen (seit 1. Mai 1949) wurde die Synagoge mit Zustimmung des Gemeinderates von Schreinermeister Albert Alt als Lager, Werkstatt und Ausstellungsraum genutzt. Er stellte sie aber mit Wirkung vom 1. Februar 1953 der Gemeinde wieder zur Verfügung. Fortan taucht nun in den Protokollen des Gemeinderates Offenbach wiederholt (mindestens zehnmal) der Tagesordnungspunkt „Umbau der Synagoge“ auf. Und am 27. März 1954 heisst es u. a.: Die Gemeindevertretung billigt den Bauplan, den das Kreisbauamt Birkenfeld erarbeitet hat. Gemeint war der Plan für den Bau eines Gemeindehauses auf dem Standort von Synagoge und jüdischer Schule. Und am 23. Mai 1955 beschloss man die Vergabe der Abrissarbeiten an der Synagoge sowie die ersten Neubauarbeiten am Gemeindehaus. Ganz allmählich ersetzte sich in der Folgezeit der Begriff „Synagoge“ durch die Bezeichnung „Gemeindehaus“.

Die Arbeiten der verschiedenen Handwerker gingen zügig voran, sodass schon am 13. Oktober 1955 die vier im Plan vorgesehenen Wohnungen per Gemeinderatsbeschluss vergeben werden konnten. Die Endabrechnung (es handelte sich um rund 88.000 DM) segnete der Rat der Gemeinde am 18. Oktober 1956 nach Vortrag des Amtsbürgermeisters Knapp ab. Das Schicksal der Synagoge war sozusagen schon durch die Beschlüsse der letzten Offenbacher Juden vom 6. Dezember 1936 sowie der Gemeindevertretung Offenbach vom 7. Dezember 1936, die den Verkauf beziehungsweise Ankauf zum Ziele hatten, besiegelt worden.

Von 1949 bis 1953 schien es, als sei doch noch eine Korrektur möglich. Das Landgericht Bad Kreuzgang hatte es in der Hand, eine Entscheidung für die Synagoge zu treffen. Der möglicherweise entscheidende Satz aber, der dem Abriss endgültig Tür und Tor öffnete, wurde wohl schon in der Sitzung des Gemeinderates vom 11. August 1952 gesprochen. Das Protokoll hält ihn so fest:
Gemeindehaus Offenbach (steht fast genau auf dem Grundriß von Synagoge und jüdischer Schule). Weiter schlägt das Kreisbauamt (Birkenfeld) vor, die alte Synagoge abzubrechen. Erstaunlich, dass dieser Vorschlag von einer Fachbehörde kam. Eigentlich hätte ihr Vertreter, doch wohl ein Baufachmann, den Wert der Synagoge erkennen und sich für den Erhalt des Gebäudes stark machen müssen.

Aber wer dachte damals schon an die Rettung eines alten und inzwischen auch mehr oder minder vernachlässigten Synagogenbaues. Es waren ja im Kriege, der erst wenige Jahre zurücklag, unendlich viele wertvolle Gebäude der Zerstörung anheimgefallen. Außerdem ist man im nachhinein, wenn nämlich das Kind bereits im Brunnen liegt, immer klüger als vorher.

 

Die ehemalige jüdische Schule und ihre Lehrer

Auf Seite 4 der Offenbacher Schulchronik trug der Lehrer Karl Adolph Dessauer im Jahre 1878 u. a. dies ein: Die Schülerzahl war damals (er meinte 1828) eine große. Es besuchten nämlich lutherische, katholische und jüdische Kinder zusammen die Schule.
Es fand also in der Schule damals bereits ein Miteinander statt, was man der beginnenden jüdischen Emanzipation zuschreiben könnte.

In den folgenden Jahren nahmen sowohl der Wohlstand der Gemeinde als auch die Einwohner- und Schülerzahl Offenbachs nicht unerheblich zu. Eines Tages sah sich der Rat der Gemeinde veranlasst, ein neues Schulhaus zu errichten, denn die erzieherischen Verhältnisse lagen doch sehr im argen. Man bezog das neue Gebäude im Jahre 1834.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte funktionierte es zunächst natürlich als Schulhaus und Lehrerwohnung, dann als Finanzamt und schließlich als evangelisches Gemeindehaus. Das Gebäude stand etwa dort, wo in jüngster Zeit ein völlig neues evangelisches Gemeindehaus errichtet wurde, nämlich gegenüber dem Portal der evangelischen Abteikirche.

Karl Adolph Dessauer notierte weiter:
Noch einige Jahre gingen die Kinder der verschiedenen Konfessionen zu meinem Vater in die Schule. Bald (nämlich 1844) kamen ein katholischer Lehrer namens Scheer und ein jüdischer namens Felsenthal hier hin.

Zu dieser Zeit gab es in Offenbach tatsächlich den Namen „Felsenthal“. Hier wohnten nämlich die drei Brüder Jacob, Max und Hermann Felsenthal. Einer von ihnen könnte jener Lehrer gewesen sein, der 1844 seinen Dienst in der jüdischen Schule antrat.
Die bereits früher erwähnte Liste der Offenbacher Juden aus dem Jahre 1835 weist unter lfd. Nr. 27 einen Lehrer namens Abraham Maier aus. Er kam 1775 von Staudernheim nach Offenbach und war im Jahre 1835 wohl um die 80 Jahre alt, also bestimmt nicht mehr im jüdischen Schuldienst. Aber er könnte von ca. 1775 bis ca. 1806 durchaus als Lehrer der jüdischen Kinder, deren Zahl damals so um die 25 gelegen haben dürfte, tätig gewesen sein. Danach bestand in Offenbach also sehr wahrscheinlich vom Jahre 1775 an eine eigenständige jüdische Schule, der in der Folgezeit allerdings von Fall zu Fall der Lehrer fehlte.

Der erste Unterricht wurde wahrscheinlich in der Wohnung des Lehrers Abraham Maier I. erteilt. Ein eigenes Schulhaus erhielten die jüdischen Kinder erst im Jahre 1832. Diese Jahreszahl stand nämlich über dem Eingang des Gebäudes, das neben der Synagoge errichtet worden war. Schule und Synagoge wurden zur selben Zeit gebaut. Kurz darauf entstanden auch für die evangelischen und katholischen Kinder der Gemeinde neue Schulhäuser, wie vorher schon angedeutet. Zweifellos darf diese „rege“ Bautätigkeit als Zeichen des Aufschwunges der Gemeinde Offenbach gewertet werden und ein wenig auch als Konkurrenzunternehmungen der Konfessionen.

Von Otto Karsch hingegen erfahren wir aus der „Geschichte des Amtes Grumbach“ unter Offenbach:

Jüdische Schule (1832 erbaut) – Evangelische Schule (1834 erbaut)
Lehrer Abraham Maier unterrichtete als erster jüdischer Lehrer seit dem Jahre 1905 die Kinder aus jüdischen Familien. Die Schule befand sich neben der Synagoge. Die Schülerzahl betrug 15 bis 16.

Wenn bezüglich der Jahreszahl 1905 kein Irrtum vorliegt, gab es in Offenbach möglicherweise zwei jüdische Lehrer mit Namen „Abraham Maier‘, nämlich einer, der um 1800 und ein anderer, der ab 1905 hier tätig war. Abraham Maier II. war also offensichtlich nicht Offenbachs erster jüdischer Lehrer, auch Felsenthal (seit 1844) nicht, sondern Abraham Maier I. (ab 1775).
Abraham Maier II. könnte eher einer der letzten seines Zeichens gewesen sein, denn um 1900 hatte Offenbach nur noch 32 jüdische Bürger. 1929 waren beispielsweise von 815 Einwohnern 655 evangelisch, 130 katholisch und 30 jüdisch. Damals kann es sich um höchstens zehn bis zwölf jüdische Kinder gehandelt haben, von denen einige sogar die Lateinschule in Meisenheim besuchten.

Glaubwürdige Zeitzeugen berichten noch von einem jüdischen Lehrer Stein, der hier einige Zeit wirkte und sehr wahrscheinlich der letzte Leiter der Offenbacher Judenschule gewesen ist. Und zwar dürfte er nur bis etwa 1915 tätig gewesen sein. Von 1916 an tauchen nämlich die Namen jüdischer Schüler wieder in den Unterlagen beziehungsweise Akten der evangelischen Volksschule Offenbach auf.

Sicherlich kann man zusammenfassend dies festhalten: Der Lehrer Abraham Maier I. kam 1775 aus Staudernheim nach Offenbach. Man darf davon ausgehen, dass er hier der erste jüdische Lehrer war. Diese Aussage wird noch durch die Tatsache erhärtet, dass die jüdische Einwohnerzahl Offenbachs gerade um jene Zeit auf rund 100 anwuchs. Um 1844 folgte der Lehrer Felsenthal dem Abraham Maier I., wenn auch nicht unmittelbar. Seit 1905 sehen wir dann Abraham Maier II. in der ehemaligen jüdischen Schule der Gemeinde Offenbach. Den Abschluss bildete schließlich der Lehrer Stein, der sein Amt etwa bis 1915 ausübte.

Bisher konnten also nur vier jüdische Lehrer ermittelt werden. Deshalb ergeben sich einige Vakanzen, sodass ab und an evangelische Lehrer einspringen mussten. Etwas deutlicher ausgedrückt: Immer wenn kein jüdischer Lehrer zur Verfügung stand, wurden die jüdischen Kinder jeweils in die evangelische Volksschule geschickt. So ergibt sich die nachfolgende Tabelle:

Zeit – Lehrer – Schule
1775-1806  Abraham Maier I., jüd. Lehrer jüd. Schule
1806-1828 Andreas Dessauer, ev. Lehrer ev. Schule
1828-1844 Carl Andreas Dessauer, ev. Lehrer ev. Schule
1844-1875 Felsenthal, jüd. Lehrer jüd. Schule
1875-1903 Carl Adolph Dessauer, ev. Lehrer ev. Schule, Oberstufe
1877-1878 Carl Schmeh, ev. Lehrer ev. Schule, Unterstufe
1878-1881 Jakob Kohl, ev. Lehrer ev. Schule, Unterstufe
1903-1905 Umlauf, Jung, Schneider, ev. Lehrer, Vertretungen ev. Schule Ober- u. Unterstufe
1905-1910 Abraham Maier II., jüd. Lehrer jüd. Schule
1910-1915 Stein, jüd. Lehrer jüd. Schule
1916-1934 Albert Werner, ev. Lehrer ev. Schule, Oberstufe
1916-1933 Jakob Faber, ev. Lehrer ev. Schule, Unterstufe
1933-1934 Christian Büschel, ev. Lehrer ev. Schule, Unterstufe
1934-1937 Christian Weingardt, ev. Lehrer ev. Schule, Oberstufe

Der letzte jüdische Schüler verließ 1937 die Oberstufe der evangelischen Volksschule Offenbach. Sein Name: Ernst Roos.

Im jüdischen Schulgebäude befand sich die Lehrerdienstwohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche und Nebenräumen, im Erdgeschoss. Über eine Treppe erreichte man das erste Stockwerk. Hinter den vier zum Marktplatz ausgerichteten Fenstern befand sich der Schulsaal. Außerdem gab es nach hinten heraus noch Nebenräume. Vom Schulsaal aus waren durch eine Tür die Empore sowie der Speicher über der Synagoge zu erreichen. Wenn einmal kein Lehrer im Schulhaus wohnte, was häufig genug vorkam, diente das Gebäude der jüdischen Gemeinde als Gästehaus oder es wurde vermietet. Die letzten Mieter waren, wie schon an anderer Stelle erwähnt, die Mitglieder der christlichen Familie Schreiner.

Die jüdische Schule ging, wie auch die Synagoge, am 7. Dezember 1936 durch Kauf in den Besitz der Gemeinde Offenbach über. Aber schon am 26. Januar 1937 trat der Gemeinderat zu einer Sitzung zusammen. Der Tagesordnungspunkt 2 lautete: Versteigerung des Judenschulhauses auf Abriß. Als Entschliessung wurde ins Protokollbuch eingetragen: Die Versteigerung des Judenschulhauses findet am Donnerstag, den 28. Januar 1937 um 16 Uhr statt.

Der Ankauf der jüdischen Schule, der Beschluss auf Abriss sowie die Versteigerung erfolgten in so kurzen Zeitabständen aufeinander, dass man den Eindruck gewinnen konnte, die Gemeinde hätte es furchtbar eilig, ihren neuerworbenen Besitz möglichst umgehend wieder abzustoßen. Um so merkwürdiger ist es, dass man aus dem Protokollbuch nichts über das Versteigerungsergebnis und ebenfalls nichts über den genauen Zeitpunkt der Abbrucharbeiten erfährt. Verschiedene Anzeichen allerdings sprechen dafür, dass das Schulgebäude nebst Stallung noch im Februar/März 1937 abgerissen wurde. Der Beginn ist übrigens auf dem Foto von Schule und Synagoge zu erkennen.

Tatsächlich hatte es wohl nicht die Gemeinde eilig mit dem Abriss, sondern die Straßenbaubehörde. Direkt hinter Synagoge, Schulhaus und Stallgebäude verlief offenbar die Linienführung der neuen Umgehungsstraße, der späteren Bundesstraße 420, deren Bau im Offenbacher Raum in den Jahren 1936/37 erfolgte. Das Alte muss dem Neuen weichen, wiewohl der Abbruch des Stalles möglicherweise unumgänglich war, der der Schule aber hätte wahrscheinlich vermieden werden können.