„Reichskristallnacht“

Auch Offenbach blieb von der Gewalt und Brutalität der Aktionen der ,,Reichskristallnacht“ nicht verschont. Die jüdischen Familien wurden, wie auch in den anderen Teilen Deutschlands, hart angegangen. An den Juden in Offenbach vergriffen sich nicht die Offenbacher selbst, diesen wäre es sicher schwer gefallen, ihren direkten Nachbarn übel zuzusetzen, sondern es wurde ein SA-Kommando aus Altenglan auf die Zerstörung in Offenbach angesetzt. Der Zerstörungsbefehl wurde in der Nacht vom 09. auf den 10. November, gegen drei Uhr, von der Gauleitung in Koblenz telefonisch übermittelt. In der Schulchronik Offenbach wird das Geschehen wie folgt kommentiert: ,,Die Judenfamilien Roos Leo, Roos Alfred und Heymann haben die Quittung erhalten. Die Männer dieser Verbrechergilde wurden in Schutzhaft genommen. Ihre Wohneinrichtungen hat man demoliert. Endlich… Es kam der Tag der Rache!“ (Westricher Heimatblätter, Dezember 1993 Voss Seite 201/202).

Opfer der Übergriffe wurden demnach in Offenbach vor allem die Familien Roos und Heymann. Ihre Inneneinrichtung wurde zerstört und auf die Straße geworfen. Herrn Heymann schlug man mit dem Hammer auf den Kopf. Das ganze Vorgehen wurde von Offenbacher Schaulustigen beobachtet. Einer dieser Zuschauer, R. Seifert, bewies Zivilcourage und kritisierte die Aktion lautstark, woraufhin der Trupp von Randalierer vom Geschehen abließ. Anschließend wurden die männlichen Mitglieder der Familie Roos und auch Hugo Heymann in Grumbach inhaftiert. Herr Heymann wurde anschließend ins Konzentrationslager Dachau gebracht, aus welchem er allerdings wieder entlassen wurde (Voss Seite 198ff).

Doch nicht nur als Zuschauer und als Opfer waren Offenbacher an der ,,Reichskristallnacht“ beteiligt. Auch der Truppenführer der Offenbacher SA, der Weinhändler E., war aufgerufen, sich an den Ausschreitungen gegen die Juden zu beteiligen. Er zögerte einige Stunden, dem Befehl von oben Folge zu leisten und unternahm zunächst nichts, sondern ging geschäftlichen Belangen nach. Nach einigen Stunden kam er seiner ,,Pflicht“ jedoch nach und sammelte Mitglieder des Offenbacher Finanzamtes ein, die er nach Grumbach, Sien und Becherbach brachte, wo diese jeweils Randale an jüdischem Eigentum durchführten. Er selbst verhielt sich dabei passiv und sah zu oder ging in den Orten anderen Beschäftigungen, wie einem Kneipenbesuch oder Geschäftsverhandlungen, nach.

Nora Zimmermann

Das Foto zeigt Alfred Roos und seine alte Mutter, die in der ,,Reichskristallnacht“ fassungslos dem Treiben zusehen