Beschreibung der Kirche von Wiesweiler durch Pfarrer i.R. Erich Renk

„Sie ist in ihrer Anlage und Bauart im Landschaftsbild eine edle Aussage. Der alte Friedhof mit seinem Baumbestand und das Friedhofstor erhöhen die landschaftliche Wirkung“ (Baurat H.O.Vogel, 1965).

Offensichtlich war der Ort schon in ältester Zeit bewohnt; denn bei Ausgrabungen im Jahre 1855 fand man unterhalb der Glanmühle in Berschweiler, dem rechts des Glans gelegenen Ortsteil von Wiesweiler, Grundmauern eines römischen Gutshofes, einer villa rustica (oder eines römischen Stationshauses?). Damals wurden u.a. eine römische Handmühle und ein römischer Hausaltar mit der Inschrift IHDD (IN HONOREM DOMUS DIVINAE) gefunden, was „zu Ehren des kaiserlichen Hauses“ bedeutet.

Auch die römischen Spolien an der Kirche, d.h. die dort verwendeten Bauteile aus früheren römischen Gebäuden, weisen auf eine Besiedlung in römischer Zeit hin. Erstmals wird das Dorf 1336 als „Winsewilre“, Weiler des Winiso, d.h. Gehöft eines fränkischen Bauern namens Winiso , urkundlich erwähnt. Anfangs voneinander politisch getrennt, wuchs Wiesweiler mit dem Nachbarort Berschweiler allmählich zu einer Gemeinde zusammen.
Im einst selbständigen und gegenüber dem damaligen Wiesweiler größeren Ort Berschweiler (Weiler des Berin, 1393 „Berswilre“) muß es wohl schon früh – im 12./13.Jahrhundert – eine Kapelle oder Kirche gegeben haben.

Auf einer kleinen Erhebung oberhalb des hochwassergefährdeten Talgrundes stand (lt. Lagerbuch der Ev. Pfarrei Offenbach) eine romanische Kapelle, die – 1684 als simultan genutzte Kirche erwähnt – noch Ende des 18. Jahrhunderts als Ruine bestanden haben soll. Es ist dieselbe Stelle, an der man 1818/19 eine neue Kirche – genauer: ein neues Kirchenschiff – errichtete. Der romanische Turm blieb erhalten und diente nun an der Ostseite des neuen Langhauses als Eingangsbau und Glockenträger. Trotz mancher baulicher Veränderungen ist er heute der einzige Zeuge der alten Kirche.

Mit großer Wahrscheinlichkeit stand dieses wie das Vorgänger-Bauwerk auf dem Boden oder ganz in der Nähe einer römischen Kultstätte. Im Hinblick auf die Größe der hier gefundenen Bauteile und den Aufwand ihrer handwerklichen Bearbeitung ist auch nicht auszuschließen, daß sich einst in der Nachbarschaft der Kirche ein römischer Großbau befunden hat, der nach seinem Verfall als „Steinbruch“ benutzt wurde. Die Ev. Kirchengemeinde Wiesweiler ist seit 1815 pfarramtlich mit der Ev. Kirchengemeinde Offenbach am Glan verbunden und gehört ab 1835 mit dieser zum Kirchenkreis St. Wendel.

Um die räumliche Situation besonders von Kanzel und Altar im Langhaus  (von 1818/19) zu verbessern, plante man 1888 (nach Entwürfen von August Senz) den Anbau eines Chorraumes im Westen des Kirchenschiffes. Zur Ausführung kamen diese Pläne aber nicht. Besonders in der Zeit des 2. Weltkrieges (1939-45) und den Jahren danach wuchsen die Schäden an der Kirche mehr und mehr an, so daß verschiedene kirchliche und staatliche Inspektionen zu dem Ergebnis führten, daß eine Instandsetzung der Kirche an „Dach und Fach“ erforderlich sei. Vor allem machte die Feuchtigkeit, das schnelle Nachwachsen des seit 1958 beobachteten Hausschwammes, der Hausbock-Befall des Dachstuhles, das Durchhängen der Decke (um 60 cm!) und das Lösen des Innenputzes der Kirchengemeinde große Sorgen. Die Bau-Aufsichtsbehörde teilte am 10.4.1968 mit, daß spätestens gegen Ende dieses Jahres mit der baupolizeilichen Schließung der Kirche gerechnet werden muß, „da für die Sicherheit all derer, die die Kirche zum Gottesdienst oder zu anderen Gelegenheiten betreten, nicht mehr im notwendigen Maße eingestanden werden kann.“

Im Wissen um den immer bedenklicher werdenden Bauzustand der Kirche hatte die Kirchengemeinde schon Jahre zuvor mit der Planung der Instandsetzungsarbeiten begonnen. Den Wünschen des Presbyteriums entsprechend, sollte – bei sorgfältiger Erhaltung und Sanierung des Turmes als des wertvollsten Teiles der Kirche – das Gebäude so umgestaltet werden, daß es sich nicht nur für Gottesdienste sondern auch für außergottesdienstliche Zusammenkünfte von Gruppen und Kreisen eignet. Auch Kinder und Jugendliche sollten in der umgestalteten Kirche eine Bleibe haben und Familien einen Ort zum Feiern bei besonderen Anlässen.

Nach tastenden Versuchen gelang es, den mit der Planung beauftragten Architekten Werner Simon (Wiesweiler) und Baurat H.O.Vogel (Trier) einen Entwurf zu schaffen, der geeignet war, aus der Kirche in Wiesweiler – vor allem durch die Ausrichtung des Gottesdienstraumes auf den Chorraum im Turm hin – ein besonders praktisches und doch zugleich nobles Bauwerk werden zu lassen. Danach sollte das Erdgeschoß des Turmes seine bisherige Aufgabe als Eingangsraum verlieren und wieder zum Chorraum werden – durch sein hohes Alter gewürdigt, den Altar aufzunehmen. Die Gottesdienst-Teilnehmer hätten dann wieder, wie es wohl vor Jahrhunderten der Fall war, Chorraum mit Chorbogen und Altar in östlicher Richtung – wie die aufgehende Sonne – vor Augen. In den vorliegenden Plänen waren für den westlichen Teil der Kirche je ein ca. 40 qm großer Gemeinde-Raum im Erdgeschoß und im 1. Stock – sowie im nach Süden vorspringenden Gebäudeteil das Treppenhaus mit der Garderobe, eine kleine Küche und eine WC-Anlage (im Keller) vorgesehen. Bestechend war bei dieser Planung auch die Möglichkeit, im Erdgeschoß den vom Gottesdienstraum durch eine gestaltete Glaswand abgetrennten Gemeinderaum jederzeit zum Kirchenraum hin zu öffnen und ihn so erheblich zu vergrößern.

Mit dem projektierten Einbau eines Balkons an der Ostseite des Gemeinderaumes im 1. Stock bestand zudem die Möglichkeit einer teilweisen Einbeziehung auch dieses Raumes in den Gottesdienstraum der Kirche. Trotz der erweiterten praktischen Möglichkeiten der künftigen Kirche konnte der Baukörper planerisch noch stärker als früher an die Umgebung angepaßt werden. Es war davon auszugehen, daß durch Tieferlegen des Langhaus-Firstes und Milderung der Dachschrägen der „Huckepack“-Eindruck des Kirchenschiffes von 1818/19 aufgehoben und durch die Errichtung des Vorbaues mit seinem tief ansetzenden Schleppdach die ortsbauliche und landschaftliche Einbindung des künftigen Gebäudes verstärkt werden. Dabei sollte – auch aus Respekt vor dem Bauwerk des 19. Jahrhunderts – das Mauerwerk des neuen Langhauses (mit Ausnahme des Vorbaues) dem Grundriß des alten folgen. Ebenso war geplant, die bisherigen Gottesdienstraum-Fenster im neuen Andachts-Raum in fast gleicher Form wiederkehren zu lassen – unter Wiederverwendung von Fensterstürzen aus den Jahren 1818/19.

Der künftige Kirchenraum mit seiner verkleinerten Grundfläche sollte keineswegs an Qualität einbüßen sondern durch verstärkte Ausstrahlung des romanischen Triumphbogens – infolge Verkürzung der Raumtiefe – an Bedeutung gewinnen. Wegen der erfreulich vielen Nutzungsmöglichkeiten der geplanten künftigen Kirche fielen schon während der Bau-Vorbereitungszeit die Begriffe „Mehrzweck-Kirche“, „Gemeindehaus-Kirche“ oder „Gemeindezentrum“. Es waren zutreffende Bezeichnungen; denn das Planungsgeschehen wurde von der Vorstellung an Burg- und Schloßkapellen beeinflußt, also von sakralen Bauwerken, die meist in einem größeren Gebäudezusammenhang stehen und angrenzenden Räumen die Möglichkeit einer Verbindung mit dem Gottesdienst-Bereich geben. Vom Landeskirchenamt kam dann 1968 der Vorschlag, ein preiswertes „Fertig-Gemeindehaus“ für 120.000 DM anzuschaffen statt die Kirche zu sanieren. Die Entscheidung der beiden wichtigsten Instanzen für die Erhaltung und Erneuerung der Kirche in Wiesweiler – die Entscheidung des Landeskirchenamtes und des Kirchenkreises – war allerdings mit der Bedingung verbunden, die Gesamtkosten der Baumaßnahme durch Einsparungen so niedrig zu halten, daß sie im Höchstfall nur wenig über den Kosten einer Fertigkirche, d.h. bei maximal 150.000,-DM, liegen.

Im Dezember 1969 konnte endlich das geplante Erhaltungs- und Neubauprojekt in Angriff genommen werden. Von Albert Marschall (Offenbach) vermittelt, begannen Angehörige des in Baumholder stationierten 293. Pionier-(Engineer-)Bataillons der US-Army kostenlos mit den Abbruch-Arbeiten am Kirchenschiff und dem Abtransport des Bauschuttes. Obwohl die Abbrucharbeiten in der Nähe des Turmes riskant waren, gelang es den amerikanischen Pionieren durch fachkundigen und sensiblen Einsatz ihrer Räumgeräte, diesen wertvollsten Baukörper – auch der künftigen Kirche – vor neuen Schäden zu bewahren. Bei den Abbrucharbeiten waren die amerikanischen Pioniere im Bauschutt des Kirchenschiffes von 1818/19 auf unterschiedlich große Bauteile (Spolien) gestoßen, die ursprünglich in älteren, heute nicht mehr bestehenden Bauwerken eingearbeitet waren. Zu den besonders bemerkenswerten Fundstücken gehören drei – vermutlich römische – Halbschalen-Steine, die einst Teil einer Wasserleitung waren und heute wenige Meter neben dem spätbarocken Portal der ehemaligen Friedhofsmauer lagern. An derselben Stelle werden u.a. auch die im Bauschutt aufgefundene Basis eines Wandpilasters, ein Stein mit Resten eines Konsolgesimses und die Basis einer Säule aufbewahrt, die möglicherweise ein Teil der heutigen Altar-Säule ist. Daß diese Funde einst zu einem römischen Tempel gehört haben, ist nicht auszuschließen. Für die Kirchengemeinde Wiesweiler wurde vor allem aber die Entdeckung des Teilstückes einer römischen Säule mit Säulenkapitell wichtig. Nach einigen Ergänzungen gelang es Johann Plützer (Bad Sobernheim), durch Verwendung des Säulen-Kopfes als Säulenfuß und Hinzufügen einer passenden Sandsteinplatte (Altarplatte aus Mörschied, um 1800) einen Altar zu schaffen, der sich harmonisch in die Raumverhältnisse von Chor, Orgel und Chorbogen einordnet. Zu bedauern ist, daß ein stattlicher (vermutlich) römischer Quaderstein bald nach seiner Entdeckung nicht mehr auffindbar war. Mit Schmuckleiste und Blumenornament verziert, war er in der Nähe der Südostecke des Kirchenschiffes von 1818/19 als Spolie eingebaut.

Im April 1970 begannen endlich die Fundamentierungs- und Aufbau-Arbeiten am neuen Kirchenschiff. Daß die Kirchengemeinde während des Fortganges der Bau- und vor allem der Restaurierungs-Arbeiten immer wieder gezwungen war, ihre Geldgeber um Verständnis für die entstandenen Mehrkosten und die Gewährung weiterer Beihilfen zu bitten, liegt nahe. Bei den  Instandsetzungsarbeiten am Turm wurden auf der Südseite die Reste eines rechteckigen, zweibahnigen Maßwerkfensters freigelegt.

Um 1500 mag es (an der Stelle eines romanischen Fensters?) entstanden aber später unter einer Verputzschicht dem Vergessen anheimgefallen sein. Heute stellt dieses Doppelfenster das einzige Chorraum-Fenster der Kirche – aber wohl auch das reizvollste Fenster des Ortes dar. Wie an der Valentinskirche in Glanbrücken (Niedereisenbach) in den sechziger Jahren ein vor langer Zeit benutzter Eingang an der Südseite des Turmes zum Vorschein kam, so konnte auch in Wiesweiler unter der Verputzschicht der südlichen Turmwand – dicht neben der Giebelseite des Schiffes – ein früheres Portal entdeckt und freigelegt werden. Mit einem mächtigen, dreieckigen Sturz (vielleicht einer Spolie?) versehen, stammt es vermutlich aus der romanischen Bau-Phase der Kirche. Zu derselben Zeit dürfte an der Südost-Ecke des Turmes auch die Konsole mit der Abbildung eines menschlichen Kopfes entstanden sein. Die Feststellung, daß sich dieser Tragstein mit dem Mauervorsprung längs der Ostseite des Turmes auf gleicher Höhe befindet, könnte darauf hinweisen, daß hier früher ein durchgehender Balken einem (Vor- oder Schutz-?) Dach als Auflage gedient hat. Zugunsten der Rückgewinnung des Turm-Erdgeschosses als Raum für Altar und Orgel wurde an seiner Ostseite das Eingangsportal von 1818/19 so geschlossen,daß es als spätbarockes Portal mit ländlichem Charakter auch weiterhin sichtbar blieb.

Sollte von den Ecksteinen am Chorturm sonst kein Quader römischen Ursprungs sein, so ist doch vor langer Zeit eine römische Spolie an der Südost-Ecke – dicht über dem Boden – in das Mauerwerk eingefügt worden. Hochkant vermauert, zeigt das Mäander-Relief des mächtigen Eck-Quaders nach Süden – wie über ihm die romanische Gesichtsmasken-Konsole. Die Westseite des Chorturmes wird vor allem durch den großen romanischen Rundbogen bestimmt, der jetzt – nach der Errichtung des neuen Kirchenschiffes – nicht mehr durch eine Empore verdeckt wird, sondern – nach Ostung der Kirche – zusammen mit Chorraum, Orgel und Altar einen beeindruckenden Blickpunkt darstellt. Allerdings unterscheiden sich die beiden Kämpfer (Bogen-Tragplatten) voneinander, Die Innenseite der nördlichen Platte ist mit einem Kreuzmotiv-Band versehen, das aus kleinen, quadratischen Vertiefungen gebildet wird. Bei fehlendem Schmuck an der oberen Platte weist dagegen der südliche Kämpfer im Bereich der Schräge ein S-förmiges Profil (mit steigendem Karnies) auf.

Dank der verständnisvollen Förderung der Baumaßnahme -auch über das anfangs bestehnde Limit hinaus – konnten die Bauarbeiten einschließlich der nicht zu vermeidenden kostspieligen Restaurierungsarbeiten am historischen Turm nach etwa 4 Jahren zum Abschluß gebracht werden. Zu ganz besonderer Bedeutung verhalfen dem Chorraum der hier errichtete Altar mit seiner über tausendjährigen Säule und das über ihm hängende Bronze-Kreuz mit blauem Glas in seinem Mittelpunkt. Anders als zu erwarten war – fand im Chorraum auch die neue Orgel noch genügend Platz. Sie wurde 1974 dicht vor der Chor-Ostwand – und daher auch teilweise unter dem neuen Verstärkungsbogen – aufgestellt. Das neue Instrument ist eine Schleifladen-Orgel der Fa. Oberlinger (Windesheim).

Von den derzeitigen Restaurierungsarbeiten am Turm verschont blieb die seit 1956 elektrisch betriebene Läuteanlage mit ihren zwei wertvollen Bronzeglocken. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts  besaß die Kirche 2 Bronzeglocken, von denen die kleinere auch „Bürgerglocke“ genannt wurde, weil sie die Bürger zur Fronarbeit gerufen haben soll. Die grosse Glocke wurde 1917 mit vielen anderen in Deutschland aus der Kirche genommen und zur Herstellung von Kriegsgerät abtransportiert. Ebenso erging es im 2. Weltkrieg (1939 – 1945) der in den zwanziger Jahren erworbenen Bronze-Glocke. Die Glocke, deren Stimme heute als Nachfolgerin der größeren und darum tiefer klingenden im Glantal bei Wiesweiler zu hören ist, wurde 1955 von der Fa. Rincker (Sinn/Dillkreis) gegossen. Sie wiegt 235 kg und besteht wie ihre kleinere Schwester  aus Bronze.

Der altehrwürdige Chorturm – reich an steinernen Zeugnissen aus römischer, romanischer, spätgotischer und spätbarocker Zeit – stellt in seinem Verhältnis zum neuen Bauwerk keinen Fremdkörper dar, sondern bildet mit ihm eine harmonische Einheit. Beschreibung der Kirche von Wiesweiler durch Pfarrer i.R. Erich Renk, Saarbrücken

„Sie ist in ihrer Anlage und Bauart im Landschaftsbild eine edle Aussage. Der alte Friedhof mit seinem Baumbestand und das Friedhofstor erhöhen die landschaftliche Wirkung“ (Baurat H.O.Vogel, 1965). Offensichtlich war der Ort schon in ältester Zeit bewohnt; denn bei Ausgrabungen im Jahre 1855 fand man unterhalb der Glanmühle in Berschweiler, dem rechts des Glans gelegenen Ortsteil von Wiesweiler, Grundmauern eines römischen Gutshofes, einer villa rustica (oder eines römischen Stationshauses?). Damals wurden u.a. eine römische Handmühle und ein römischer Hausaltar mit der Inschrift IHDD (IN HONOREM DOMUS DIVINAE) gefunden, was „zu Ehren des kaiserlichen Hauses“ bedeutet. Auch die römischen Spolien an der Kirche, d.h. die dort verwendeten Bauteile aus früheren römischen Gebäuden, weisen auf eine Besiedlung in römischer Zeit hin. Erstmals wird das Dorf 1335 als „Winsewilre“, Weiler des Winiso, d.h. Gehöft eines fränkischen Bauern namens Winiso , urkundlich erwähnt. Anfangs voneinander politisch getrennt, wuchs Wiesweiler mit dem Nachbarort Berschweiler allmählich zu einer Gemeinde zusammen.

Im einst selbständigen und gegenüber dem damaligen Wiesweiler größeren Ort Berschweiler (Weiler des Berin, 1393 „Berswilre“) muß es wohl schon früh – im 12./13.Jahrhundert – eine Kapelle oder Kirche gegeben haben. Auf einer kleinen Erhebung oberhalb des hochwassergefährdeten Talgrundes stand (lt. Lagerbuch der Ev. Pfarrei Offenbach) eine romanische Kapelle, die – 1684 als simultan genutzte Kirche erwähnt – noch Ende des 18. Jahrhunderts als Ruine bestanden haben soll. Es ist dieselbe Stelle, an der man 1818/19 eine neue Kirche – genauer: ein neues Kirchenschiff – errichtete. Der romanische Turm blieb erhalten und diente nun an der Ostseite des neuen Langhauses als Eingangsbau und Glockenträger. Trotz mancher baulicher Veränderungen ist er heute der einzige Zeuge der alten Kirche. Mit großer Wahrscheinlichkeit stand dieses wie das Vorgänger-Bauwerk auf dem Boden oder ganz in der Nähe einer römischen Kultstätte.

Im Hinblick auf die Größe der hier gefundenen Bauteile und den Aufwand ihrer handwerklichen Bearbeitung ist auch nicht auszuschließen, daß sich einst in der Nachbarschaft der Kirche ein römischer Großbau befunden hat, der nach seinem Verfall als „Steinbruch“ benutzt wurde. Die Ev. Kirchengemeinde Wiesweiler ist seit 1815 pfarramtlich mit der Ev. Kirchengemeinde Offenbach am Glan verbunden und gehört ab 1835 mit dieser zum Kirchenkreis St. Wendel.

Um die räumliche Situation besonders von Kanzel und Altar im Langhaus  (von 1818/19) zu verbessern, plante man 1888 (nach Entwürfen von August Senz) den Anbau eines Chorraumes im Westen des Kirchenschiffes. Zur Ausführung kamen diese Pläne aber nicht. Besonders in der Zeit des 2. Weltkrieges (1939-45) und den Jahren danach wuchsen die Schäden an der Kirche mehr und mehr an, so daß verschiedene kirchliche und staatliche Inspektionen zu dem Ergebnis führten, daß eine Instandsetzung der Kirche an „Dach und Fach“ erforderlich sei. Vor allem machte die Feuchtigkeit, das schnelle Nachwachsen des seit 1958 beobachteten Hausschwammes, der Hausbock-Befall des Dachstuhles, das Durchhängen der Decke (um 60 cm!) und das Lösen des Innenputzes der Kirchengemeinde große Sorgen. Die Bau-Aufsichtsbehörde teilte am 10.4.1968 mit, daß spätestens gegen Ende dieses Jahres mit der baupolizeilichen Schließung der Kirche gerechnet werden muß, „da für die Sicherheit all derer, die die Kirche zum Gottesdienst oder zu anderen Gelegenheiten betreten, nicht mehr im notwendigen Maße eingestanden werden kann.“

Im Wissen um den immer bedenklicher werdenden Bauzustand der Kirche hatte die Kirchengemeinde schon Jahre zuvor mit der Planung der Instandsetzungsarbeiten begonnen. Den Wünschen des Presbyteriums entsprechend, sollte – bei sorgfältiger Erhaltung und Sanierung des Turmes als des wertvollsten Teiles der Kirche – das Gebäude so umgestaltet werden, daß es sich nicht nur für Gottesdienste sondern auch für außergottesdienstliche Zusammenkünfte von Gruppen und Kreisen eignet.

Auch Kinder und Jugendliche sollten in der umgestalteten Kirche eine Bleibe haben und Familien einen Ort zum Feiern bei besonderen Anlässen. Nach tastenden Versuchen gelang es, den mit der Planung beauftragten Architekten Werner Simon (Wiesweiler) und Baurat H.O.Vogel (Trier) einen Entwurf zu schaffen, der geeignet war, aus der Kirche in Wiesweiler – vor allem durch die Ausrichtung des Gottesdienstraumes auf den Chorraum im Turm hin – ein besonders praktisches und doch zugleich nobles Bauwerk werden zu lassen. Danach sollte das Erdgeschoß des Turmes seine bisherige Aufgabe als Eingangsraum verlieren und wieder zum Chorraum werden – durch sein hohes Alter gewürdigt, den Altar aufzunehmen. Die Gottesdienst-Teilnehmer hätten dann wieder, wie es wohl vor Jahrhunderten der Fall war, Chorraum mit Chorbogen und Altar in östlicher Richtung – wie die aufgehende Sonne – vor Augen. In den vorliegenden Plänen waren für den westlichen Teil der Kirche je ein ca. 40 qm großer Gemeinde-Raum im Erdgeschoß und im 1. Stock – sowie im nach Süden vorspringenden Gebäudeteil das Treppenhaus mit der Garderobe, eine kleine Küche und eine WC-Anlage (im Keller) vorgesehen. Bestechend war bei dieser Planung auch die Möglichkeit, im Erdgeschoß den vom Gottesdienstraum durch eine gestaltete Glaswand abgetrennten Gemeinderaum jederzeit zum Kirchenraum hin zu öffnen und ihn so erheblich zu vergrößern.

Mit dem projektierten Einbau eines Balkons an der Ostseite des Gemeinderaumes im 1. Stock bestand zudem die Möglichkeit einer teilweisen Einbeziehung auch dieses Raumes in den Gottesdienstraum der Kirche. Trotz der erweiterten praktischen Möglichkeiten der künftigen Kirche konnte der Baukörper planerisch noch stärker als früher an die Umgebung angepaßt werden. Es war davon auszugehen, daß durch Tieferlegen des Langhaus-Firstes und Milderung der Dachschrägen der „Huckepack“-Eindruck des Kirchenschiffes von 1818/19 aufgehoben und durch die Errichtung des Vorbaues mit seinem tief ansetzenden Schleppdach die ortsbauliche und landschaftliche Einbindung des künftigen Gebäudes verstärkt werden. Dabei sollte – auch aus Respekt vor dem Bauwerk des 19. Jahrhunderts – das Mauerwerk des neuen Langhauses (mit Ausnahme des Vorbaues) dem Grundriß des alten folgen. Ebenso war geplant, die bisherigen Gottesdienstraum-Fenster im neuen Andachts-Raum in fast gleicher Form wiederkehren zu lassen – unter Wiederverwendung von Fensterstürzen aus den Jahren 1818/19.

Der künftige Kirchenraum mit seiner verkleinerten Grundfläche sollte keineswegs an Qualität einbüßen sondern durch verstärkte Ausstrahlung des romanischen Triumphbogens – infolge Verkürzung der Raumtiefe – an Bedeutung gewinnen. Wegen der erfreulich vielen Nutzungsmöglichkeiten der geplanten künftigen Kirche fielen schon während der Bau-Vorbereitungszeit die Begriffe „Mehrzweck-Kirche“, „Gemeindehaus-Kirche“ oder „Gemeindezentrum“.

Es waren zutreffende Bezeichnungen; denn das Planungsgeschehen wurde von der Vorstellung an Burg- und Schloßkapellen beeinflußt, also von sakralen Bauwerken, die meist in einem größeren Gebäudezusammenhang stehen und angrenzenden Räumen die Möglichkeit einer Verbindung mit dem Gottesdienst-Bereich geben. Vom Landeskirchenamt kam dann 1968 der Vorschlag, ein preiswertes „Fertig-Gemeindehaus“ für 120.000 DM anzuschaffen statt die Kirche zu sanieren. Die Entscheidung der beiden wichtigsten Instanzen für die Erhaltung und Erneuerung der Kirche in Wiesweiler – die Entscheidung des Landeskirchenamtes und des Kirchenkreises – war allerdings mit der Bedingung verbunden, die Gesamtkosten der Baumaßnahme durch Einsparungen so niedrig zu halten, daß sie im Höchstfall nur wenig über den Kosten einer Fertigkirche, d.h. bei maximal 150.000,-DM, liegen.

Im Dezember 1969 konnte endlich das geplante Erhaltungs- und Neubauprojekt in Angriff genommen werden. Von Albert Marschall (Offenbach) vermittelt, begannen Angehörige des in Baumholder stationierten 293. Pionier-(Engineer-)Bataillons der US-Army kostenlos mit den Abbruch-Arbeiten am Kirchenschiff und dem Abtransport des Bauschuttes. Obwohl die Abbrucharbeiten in der Nähe des Turmes riskant waren, gelang es den amerikanischen Pionieren durch fachkundigen und sensiblen Einsatz ihrer Räumgeräte, diesen wertvollsten Baukörper – auch der künftigen Kirche – vor neuen Schäden zu bewahren. Bei den Abbrucharbeiten waren die amerikanischen Pioniere im Bauschutt des Kirchenschiffes von 1818/19 auf unterschiedlich große Bauteile (Spolien) gestoßen, die ursprünglich in älteren, heute nicht mehr bestehenden Bauwerken eingearbeitet waren. Zu den besonders bemerkenswerten Fundstücken gehören drei – vermutlich römische – Halbschalen-Steine, die einst Teil einer Wasserleitung waren und heute wenige Meter neben dem spätbarocken Portal der ehemaligen Friedhofsmauer lagern.

An derselben Stelle werden u.a. auch die im Bauschutt aufgefundene Basis eines Wandpilasters, ein Stein mit Resten eines Konsolgesimses und die Basis einer Säule aufbewahrt, die möglicherweise ein Teil der heutigen Altar-Säule ist. Daß diese Funde einst zu einem römischen Tempel gehört haben, ist nicht auszuschließen. Für die Kirchengemeinde Wiesweiler wurde vor allem aber die Entdeckung des Teilstückes einer römischen Säule mit Säulenkapitell wichtig. Nach einigen Ergänzungen gelang es Johann Plützer (Bad Sobernheim), durch Verwendung des Säulen-Kopfes als Säulenfuß und Hinzufügen einer passenden Sandsteinplatte (Altarplatte aus Mörschied, um 1800) einen Altar zu schaffen, der sich harmonisch in die Raumverhältnisse von Chor, Orgel und Chorbogen einordnet. Zu bedauern ist, daß ein stattlicher (vermutlich) römischer Quaderstein bald nach seiner Entdeckung nicht mehr auffindbar war. Mit Schmuckleiste und Blumenornament verziert, war er in der Nähe der Südostecke des Kirchenschiffes von 1818/19 als Spolie eingebaut.

Im April 1970 begannen endlich die Fundamentierungs- und Aufbau-Arbeiten am neuen Kirchenschiff. Daß die Kirchengemeinde während des Fortganges der Bau- und vor allem der Restaurierungs-Arbeiten immer wieder gezwungen war, ihre Geldgeber um Verständnis für die entstandenen Mehrkosten und die Gewährung weiterer Beihilfen zu bitten, liegt nahe. Bei den Instandsetzungsarbeiten am Turm wurden auf der Südseite die Reste eines rechteckigen, zweibahnigen Maßwerkfensters freigelegt. Um 1500 mag es (an der Stelle eines romanischen Fensters?) entstanden aber später unter einer Verputzschicht dem Vergessen anheimgefallen sein. Heute stellt dieses Doppelfenster das einzige Chorraum-Fenster der Kirche – aber wohl auch das reizvollste Fenster des Ortes dar. Wie an der Valentinskirche in Glanbrücken (Niedereisenbach) in den sechziger Jahren ein vor langer Zeit benutzter Eingang an der Südseite des Turmes zum Vorschein kam, so konnte auch in Wiesweiler unter der Verputzschicht der südlichen Turmwand – dicht neben der Giebelseite des Schiffes – ein früheres Portal entdeckt und freigelegt werden.

Mit einem mächtigen, dreieckigen Sturz (vielleicht einer Spolie?) versehen, stammt es vermutlich aus der romanischen Bau-Phase der Kirche. Zu derselben Zeit dürfte an der Südost-Ecke des Turmes auch die Konsole mit der Abbildung eines menschlichen Kopfes entstanden sein. Die Feststellung, daß sich dieser Tragstein mit dem Mauervorsprung längs der Ostseite des Turmes auf gleicher Höhe befindet, könnte darauf hinweisen, daß hier früher ein durchgehender Balken einem (Vor- oder Schutz-?) Dach als Auflage gedient hat.

Zugunsten der Rückgewinnung des Turm-Erdgeschosses als Raum für Altar und Orgel wurde an seiner Ostseite das Eingangsportal von 1818/19 so geschlossen,daß es als spätbarockes Portal mit ländlichem Charakter auch weiterhin sichtbar blieb.

Sollte von den Ecksteinen am Chorturm sonst kein Quader römischen Ursprungs sein, so ist doch vor langer Zeit eine römische Spolie an der Südost-Ecke – dicht über dem Boden – in das Mauerwerk eingefügt worden. Hochkant vermauert, zeigt das Mäander-Relief des mächtigen Eck-Quaders nach Süden – wie über ihm die romanische Gesichtsmasken-Konsole.

Die Westseite des Chorturmes wird vor allem durch den großen romanischen Rundbogen bestimmt, der jetzt – nach der Errichtung des neuen Kirchenschiffes – nicht mehr durch eine Empore verdeckt wird, sondern – nach Ostung der Kirche – zusammen mit Chorraum, Orgel und Altar einen beeindruckenden Blickpunkt darstellt.

Allerdings unterscheiden sich die beiden Kämpfer (Bogen-Tragplatten) voneinander:

Die Innenseite der nördlichen Platte ist mit einem Kreuzmotiv-Band versehen, das aus kleinen, quadratischen Vertiefungen gebildet wird. Bei fehlendem Schmuck an der oberen Platte weist dagegen der südliche Kämpfer im Bereich der Schräge ein S-förmiges Profil (mit steigendem Karnies) auf.

Dank der verständnisvollen Förderung der Baumaßnahme -auch über das anfangs bestehnde Limit hinaus – konnten die Bauarbeiten einschließlich der nicht zu vermeidenden kostspieligen Restaurierungsarbeiten am historischen Turm nach etwa 4 Jahren zum Abschluß gebracht werden.

Zu ganz besonderer Bedeutung verhalfen dem Chorraum der hier errichtete Altar mit seiner über tausendjährigen Säule und das über ihm hängende Bronze-Kreuz mit blauem Glas in seinem Mittelpunkt.

Anders als zu erwarten war – fand im Chorraum auch die neue Orgel noch genügend Platz. Sie wurde 1974 dicht vor der Chor-Ostwand – und daher auch teilweise unter dem neuen Verstärkungsbogen – aufgestellt. Das neue Instrument ist eine Schleifladen-Orgel der Fa. Oberlinger (Windesheim). Von den derzeitigen Restaurierungsarbeiten am Turm verschont blieb die seit 1956 elektrisch betriebene Läuteanlage mit ihren zwei wertvollen Bronzeglocken. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts  besaß die Kirche 2 Bronzeglocken, von denen die kleinere auch „Bürgerglocke“ genannt wurde, weil sie die Bürger zur Fronarbeit gerufen haben soll.

Die grosse Glocke wurde 1917 mit vielen anderen in Deutschland aus der Kirche genommen und zur Herstellung von Kriegsgerät abtransportiert. Ebenso erging es im 2. Weltkrieg (1939 – 1945) der in den zwanziger Jahren erworbenen Bronze-Glocke.

Die Glocke, deren Stimme heute als Nachfolgerin der größeren und darum tiefer klingenden im Glantal bei Wiesweiler zu hören ist, wurde 1955 von der Fa. Rincker (Sinn/Dillkreis) gegossen. Sie wiegt 235 kg und besteht wie ihre kleinere Schwester  aus.

Der altehrwürdige Chorturm – reich an steinernen Zeugnissen aus römischer Zeit. Wie vor Baubeginn erhofft wurde, paßt sich das neue Gemeindezentrum auch den Bauformen der Umgebung an, obschon – dank der ringförmigen Außenanlage auf dem Boden des früheren Friedhofes – ein wohltuender Abstand zu den Nachbargebäuden vorhanden ist.

Die Gestaltung der Außenanlage mit dem schmalen Pfad ringsum die Kirche geht auf die Anregungen von Gartenbaudirektor Gottfried Rettig (Trier) zurück. Ihm war bei seinen Überlegungen auch sehr an der Bewahrung des alten Baumbestandes gelegen. Um der Straße neben der alten Friedhofsmauer zu etwas mehr Breite und Besuchern der Kirche zu einigen Parkplätzen zu verhelfen, wurde diese Mauer einschließlich des Portals abgetragen und um gut einen Meter zurückverlegt. In der Nähe der Südost-Ecke des ehemaligen Kirchenschiffes stand früher eine Gedenkstätte für die im Krieg Gefallenen. Da sie vor wenigen Jahren abgebaut und auf dem jetzigen Friedhof wieder errichtet wurde, war es möglich, in der Einfriedungsmauer einen zweiten Eingang herzustellen. So ist in den Jahren 1970 – 1974 ein kleines Gemeindezentrum mit vielfältigen Nutzungs-Möglichkeiten nicht nur für die Kirchengemeinde sondern für alle Bewohner des Ortes entstanden.

Erich Renk.

Benutzte Literatur:
Bauakten der Ev. Kirchengemeinde Wiesweiler, 1970 – 1974.
Baum, Günther, Chronik des Gutsbezirkes Baumholder, Baumholder, 1976.
Dehio, Georg, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz, Saarland, 1984, S.1134.
Karsch, Otto, Geschichte des Amtes Grumbach, Birkenfeld, 1959.
Lagerbuch der Ev. Pfarrei Offenbach am Glan.
Schüler-Beigang, Christian, in: Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Worms, Band 16, S. 216 und 217.
Voss, Gerhard, Aus Vergangenheit und Gegenwart der ehemaligen Propsteikirche in Offenbach/Glan, Birkenfeld 1968.