Die Not der Nachkriegszeit

Ein Monatsverdienst reicht nicht für einen Zentner Kartoffeln. Lebensmittelkarten, Schwarzhandel und kaum Brennstoff für den Winter.

„Müsst ihr jetzt die Kohlen zählen, das kommt vom Adolf Hitler wählen“, das war an viele Wände nach dem Kriegsende gekritzelt. Wehe dem, der nichts hatte, was er eintauschen konnte. Die Schulchronik von Lehrer Klein, Offenbach (Archiv Regionalschule Plus, Lauterecken), erzählt von dieser schweren Zeit ab 1945:

„Die Folgen des verlorenen Krieges machten sich immer mehr bemerkbar. Die Lebensmittelrationen wurden immer knapper. Fleisch, Fett, Zucker, Eier werden kaum noch zugeteilt. Kartoffeln gab es auf den Kopf pro Jahr: 150 Kilogramm, Brot täglich 200 Gramm. Im Jahre 1947 gab es sechs Monate lang kein Gramm Zucker, im Dezember wurde kein Gramm Fett zugeteilt (vorher 200 Gramm monatlich). Am schlimmsten waren die Normalverbraucher (Leute ohne Sonderzuteilungen) daran. Da sie von den zugeteilten Rationen unmöglich satt werden konnten, waren sie dauernd auf der Suchen ach Lebensmitteln. Mit der Nachfrage stiegen auch die Preise. Im Winter 1947 zahlte man für ein Pfund Butter 250M, für ein Pfund Zucker 60M,  für ein Ei bis zu 10M, für einen Zentner Kartoffeln 500M, für einen Zentner Weizen 1260-2000M, für einen Liter Wein 20-30M. Ein Junglehrer verdiente im Monat 200M, ein älterer Lehrer mit einer vierköpfigen Familie 450M. Gehalts- und Lohnempfänger konnten also kaum etwas nebenher kaufen und mussten sehr hungern. Schuhe, Wäsche, Anzüge, Wolle konnte man auch auf Kleiderkarten nicht mehr erhalten. Für ein Paar Schuhe zahlte man 500-700M, für einen Anzug 5000M, für einen Strang Wolle 200M.

Glücklich waren die Leute dran, die Verwandte in Amerika hatten und von dort Pakete mit all den begehrten Sachen erhielten. Die Pakete mussten in Oberstein abgeholt und verzollt werden. Eine Ziege kostete 2000M, ein Schwein 5000M ,eine Kuh 10000M, ein Pferd 20-25000M. Die Reichsmark kam als Zahlungsmittel immer mehr außer Kurs. Die Schaufenster der Geschäfte wurden immer leerer. Die wenigen vorhandenen Waren verschwanden unter der Theke in geheimen Warenlagern und waren nur den Kunden vorbehalten, die Lebensmittel oder andere Mangelwaren zum Tausch anbieten können. Für Reichsmark erhielt man nur noch die Lebensmittel und Kleidungsstücke, die auf den Karten vorgesehen waren. Sehr oft waren diese Dinge noch nicht einmal vorhanden.

Wer Lebensmittel anbieten konnte, Butter, Schmalz, Brot, Kartoffeln, Schinken, Eier, Mehl usw. hatte, konnte noch alles erhalten. Für die armen Normalverbraucher, die meistens noch für wertloses Papiergeld und zu normalen Löhnen und Gehältern der Vorkriegszeit arbeiten mussten, wurde die Not immer größer. Ihr ganzes Monatseinkommen reichte nicht einmal für 100kg Kartoffeln. Wäsche, Kleidungsstücke, Möbel und Einrichtungsgegenstände wurden Bauern und Geschäftsleuten zum Tausch angeboten, damit mand ie notwendigen Lebensmittel erhielt. Auch die Handwerker arbeiteten meistens nur noch gegen Naturalien. Bevorzugt wurden die Kunden, die Lebensmittel bringen konnten.

Während ein kleiner Teil der Bevölkerung im Überfluss schwelgte, musste der größere Teil hungern und darben. Seit Kriegsende sind Kohlen nicht mehr zugeteilt worden. Es konnte nur noch mit Holz geheizt werden. Obwohl fast alle Schläge unserer waldarmen Gemeinde abgehauen wurden, reichte das Brennholz nicht. Für 1m Brennholz zahlte man 75M.

Nachdem unser Wald kahl gehauen war, wurde der Gemeinde Holz auf dem Truppenübungsplatz angewiesen. Die Gemeinde musste das Holz selbst schlagen und abfahren lassen. Jeder Haushalt musste Arbeitskräfte stellen. Männer, Frauen, schulentlassene Jugend, die kaum einmal eine Axt in der Hand gehabt haben, mussten sich in der Steinalb und im Kirrweiler Wald als Holzfäller betätigen, wenn sie im Winter Hausbrand haben wollten. Zur Arbeitsstelle war meist ein beschwerlicher Weg mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Oft musste die Arbeitsstelle fluchtartig verlassen werden, weil unverhofft Artilleriefeuer einsetzte. Einem Holzfuhrmann aus Hundheim wurde von einem Granatsplitter der linke Arm zerschmettert.

Gleich nach Kriegsschluss wurd ein Offenbach eine amerikanische Einheit einquartiert. Einige Häuser in der Ortsmitte (Hotel Altpeter) mussten von ihren Besitzern innerhalb von zwei Stunden geräumt werden und wurden sechs Wochen lang mit amerikanischen Soldaten belegt. Im Allgemeinen verhielten sich die Besatzungstruppen korrekt. Umgang und Verkehr mit der Bevölkerung war ihnen verboten. Trotzdem biederten sich einige Familien, Männer, Frauen und Mädchen an und verschafften sich allerlei Vorteile. Sie scheuten sich nicht, sich in den beschlagnahmten Häusern Haus- und Küchengeräte und andere Einrichtungsgegenstände anzueignen. Ende September 1945 wurden hier Tunesier einquartiert. Neben einheimischen Frauen wurden diese in ihren Quartieren auch von auswärtigen Frauen, die sie in früheren Quartieren kennen gelernt hatten, besucht.

Nachdem der Truppenübungsplatz Baumholder mit französischen Truppen belegt wurde, musste die Bevölkerung des Kreises die vielen Offizierswohnungen mit Möbeln, Betten und Hausrat ausstatten. Von Oktober 1945 bis Januar 1946 wurden in allen Dörfern Requisitionen durchgeführt. Mitglieder und führende Leute der NSDAP wurden dabei am meisten gerupft. Offenbach hatte etwa 40 komplette Zimmereinrichtungen, viele Herde, Bilder, Bettwäsche, elektrische Geräte, Haus- und Küchengeräte, Radios und vieles andere abzuliefern. Zwei Wochen lang war das Requisitionskommando hier tätig. Nach versteckten Gegenständen wurde gesucht. Oft gaben sogar Nachbarn dem Kommando einen Wink, wo noch was zufinden sei. Nach dem Einmarsch der Amerikaner mussten sofort alle Waffen beim Bürgermeister abgeliefert werden.

Am 20.06.1948 wurde die lange erwartete Währungsreform ganz unverhofft durchgeführt. Bald waren in den Schaufenstern und in den Läden wieder Lebensmittel und alle Bedarfsartikel zu sehen und wurden den Kunden mit freundlichen Worten angeboten. Man musste sich wundern, wo diese Waren so schnell herkamen und konnte die Überzeugung gewinnen, dass viele von ihnen in geheimen Lagern für diesen Tag bereitgehalten wurden.

Leider war nun bald das Geld die einzige Mangelware. Die Leute, die in den Hungerjahren am meisten gedarbt hatten, konnten auch jetzt die schönen Sachen nur in den Schaufenstern bewundern.  Zum Kaufen fehlte ihnen das Geld“.

Foto: Anna Kohl, die „Kohle-Bas“ aus Wiesweiler, versorgte mit ihrem Wägelchen die Menschen aus den umliegenden Dörfern mit Obst und Gemüse und dem Notwendigsten.