Pfarrer von de Loo, Medard

Kreuz oder Hakenkreuz: Der Pfarrer von Medard und die „Deutschen Christen“

Zehn Wochen musste ein Arbeiter dafür arbeiten. 300 RM Geldbuße, einbehalten alleine im Monat Juni 1939 –das war viel Geld. In dem Streit ging es um Kollekten. Pfarrer van de Loo hatte diese zwar weitergeleitet; nur an die Falschen, die Gegner der NS-Kirchenleitung. Pfarrer van de Loo aus Medard galt als „scharfer Gegner“ des Nationalsozialismus.

Die Gegner hatten sich in der „Pfarrerbruderschaft“ organisiert. Dietrich Bonhoeffer oder Paul Schneider sind nur die bekanntesten Namen. In ihr war er seit 1933 Mitglied. Im Medarder Pfarrhaus trafen sich bisweilen die Pfarrer der „Bekennenden Kirche“. Das Presbyterium Medard und Pfarrer van de Loo sammelten für sie in ihren Gottesdiensten. Die NS-Kirchenverwaltung (Konsistorium) forderte diese Kollekten stattdessen an sie selbst abzuführen. Auf die Weigerung aus Medard reagierte sie mit einer Gehaltskürzung für die Monate Juni bis August 1939. Erst als der 2.Weltkrieg ausbrach, wurde die Strafmaßnahme eingestellt!

Pfarrer van de Loo war einmal in Koblenz inhaftiert. Gunther Cherdron berichtet: Übereinstimmend wurde das ruhige und besonnene Auftreten des Pfarrers hervorgehoben. Seine Gegner kamen aus den Reihen der „Deutschen Christen“, einer pro nationalsozialistischen Glaubensbewegung. So gab es bei ihm keine Konfirmation unter der Hakenkreuzfahne. Ebenso wenig hat er Konfirmationen der Deutschen Christen anerkannt. Es ist verbürgt, dass er von einer Frau, die „unter der Fahne“ (vermutlich in Lauterecken von einem dortigen Dekan) konfirmiert worden war, vor ihrer kirchlichen Trauung eine wirksame Konfirmation verlangte. In Erinnerung ist auch, dass er – entsprechend der Jahreszeit – die Konfirmanden bei gutem Verhalten, wozu auch Fleiß und Erfolg beim vielen auswendig lernen gehörten, mit Früchten aus dem Pfarrgarten belohnte; beipielsweise einem Apfel.

Dt. Christen ließen der Pfarrer und das Presbyterium nicht in die Kirche. „Wir hatten damals zwar sehr alte, aber mutige Presbyter!“ sagte Änne van de Loo in einem Interview mit „Glaube und Heimat“ im Jahr 1990. Sie mussten sich in einem großen Saal einer Medarder Gastwirtschaft treffen, oder sich nach Lauterecken begeben, woran sie aber bald die Lust verloren haben. Die Dt. Christen hielten in Medard sogar einen eigenen Konfirmandenunterricht ab. Es unterwies sie ein Herr Wipper. Dies führte zu dem Spott, die von ihm konfirmierten Jugendlichen seien „gewippt“ und nicht konfirmiert worden.

Verbürgt ist auch, dass er einen Schüler, der ihn mit „Heil Hitler“ gegrüßt hatte, herbeiwinkte und belehrte: „Guten Morgen heißt das, oder Guten Tag, oder Guten Abend, je nach Tageszeit. Merk dir das“. Der damalige Schüler hat es sich gemerkt und weiß es noch heute, bleibt allerdings ungenannt. Auch schrieb van de Loo im 2. Weltkrieg einem (katholischen) Christen „ins Feld“, was diesem sehr geholfen hat. Leider ist der damals unterstütze Soldat, den ich noch gut und geradezu freundschaftlich kannte, vor kurzer Zeit verstorben.

Zum Thema Konfirmation ist noch anzumerken, dass es damals Brauch bei den frisch Konfirmierten war, durch den Ort zu gehen und sich in der Gemeinde vorzustellen. Bei diesem Rundgang durften auch die Deutsch-Christen mitgehen. Van de Loo hat die fehlgeleiteten Jugendlichen hier nicht verstoßen oder ausgegrenzt. Sicher hatte der Pfarrer die Kraft aus seinem nicht nur gepredigten, sondern auch gelebten Glauben.

Er hatte aber auch eine tüchtige Frau an seiner Seite, die oft schon im September begann, mit den Gemeindekindern Krippenspiele einzuüben, weil die Kinder das wollten und schon drängelten. Anlässlich der Generalprobe, die in der Kirche statt-fand, wurden die mitwirkenden Kinder auf dem Weg dahin über den Friedhof einmal von weiß verhüllten Gestalten bis ins Mark erschreckt, die bei düsterem Licht plötzlich hinter Grabsteinen erschienen. Die Kinder rannten entsetz tschreiend in Richtung Pfarrhaus. Die „Gespenster“ versuchten den Schabernack im nächsten Jahr erneut. Indes erfolglos. Der Pfarrer begleitete näm-lich seine Frau und die Kinder über denFriedhof. Da sich alle zu Recht sicher waren, dass Herr van de Loo auch mit Gespenstern fertig wird, erschrak niemand mehr und Schreckgespenster bleiben seither unserem Gotteshaus und dem Friedhof fern.

Das Pfarrerehepaar van de Loo hat es übrigens mit dem Gebot, sich kein Bildnis zu machen, sehr ernst genommen. Die Krippe im Stall war immer leer. Das habe ich als Kind nicht verstanden.

Frau Anna Luise van de Loo (1900-1994) hat über die letzten Tage des 2. Weltkrieges aus Medard berichtet, wie die Familie verwundete und fliehende Soldaten im Pfarrhaus aufnimmt und beruhigend und tatkräftig helfend im Dorf wirkt.

Wie hart es für die Pfarrersfamilie vande Loo war, in der schweren Zeit standhaft zu sein, zeigen die Ergebniss eder Wahlen: Spätestens seit 1930 war die Pfalz eine der sichersten Hochburgen des Nationalsozialismus. Bei uns lag der Anteil der NSDAP-Wähler immer sogar weit über dem bayrischen und reichsdeutschen Durchschnitt. Dazu hat auch Medard beigetragen. Auch nach dem Krieg konnte man übrigens beim Heimatfest gelegentlich noch den Träger eines SS-Ledermantels erblicken.

Pfarrer van de Loo und seine Frau haben ausgehalten, was ihnen besonders zur Zeit des Nationalsozialismus enorm viel abverlangte. Wir sollten uns mit Hochachtung an das Ehepaar van de Loo erinnern.

Gunther Cherdron